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Improtheater

Improtheater

Improtheater

Improvisationstheater – das neue Volkstheater

Geschichte
Improvisationstheater in der Form, wie es auch ImproKS spielt, hat sich erst in den letzten Jahrzehnten entwickelt. Die Wurzeln des Improvisationstheaters lassen sich zurückverfolgen bis ins antike Griechenland. Später griff die Commedia dell’Arte auf Improvisation zurück. In den 1940er Jahren beschäftigte sich die US-Amerikanerin Viola Spolin mit Improvisationstheater, das dem heutigen schon sehr ähnlich ist. In den 1970er Jahren schuf Keith Johnstone den sog. Theatersport, dessen Kurzspielformen bis heute das Improvisationstheater maßgebend beeinflussen. Ab Ende der 1980er Jahre gründeten sich in Deutschland Improvisationstheatergruppen, älteste Gruppe ist Springmaus aus Bonn, die bereits ab 1983 öffentlich Improvisationstheater spielte.

Das Besondere
Was ist nun das Besondere an dieser Theaterform, die nach meiner Schätzung derzeit etwa 12.000 Menschen in Deutschland aktiv ausüben?
Das Besondere ist das NICHTS. Auf der Bühne befinden sich in der Regel keine Requisiten, die Schauspieler haben keine besonderen Kostüme an und sie versuchen, mit leerem Kopf auf die Bühne zu kommen, dh. „im Moment“ oder im „Hier und Jetzt“ zu sein. Genau das ist beim Improvisationstheater die Kunst: Kein Konzept über die bevorstehende Szene zu haben, sondern sich ganz dem Moment „hinzugeben“: Welchen Impuls verspüre ich? Was löst mein Gegenüber in mir aus? Juckt mir die Nase? Verspüre ich einen Schmerz im kleinen Zeh? Das alles kann der (erste) Impuls für die nun folgende Szene sein.
Eines gilt immer: Jede Szene ist ungeplant, erst- und einmalig; sie wird so nie wiederholt werden!

Regeln für Spontanität?
Auch wenn ich spontan, impulsiv und ungeplant handele, heißt das nicht, dass es nicht doch Regeln bzw. einen Rahmen gibt. Denn natürlich möchte ich, dass die Szene mir und dem Publikum Spaß macht, dass sie gelingt, indem sie unterhaltsam, witzig, vielleicht sogar emotional berührend ist. Die Kunst beim Improtheater ist, dass ich Regeln beachte, dabei aber trotzdem spontan bleibe!
Was sind das für Regeln? Die wichtigste ist, die Spielangebote anzunehmen, also nicht zu blockieren. Das lernt jeder Neuling gleich am Anfang. Das Improvisationstheater lebt von Behauptungen. Mit Hilfe der Behauptungen schaffe ich die „fiktive Realität“ auf der Bühne. Mit Hilfe meiner spontanen Fantasie kann ich alles erschaffen – jeden Menschen, jedes Wesen, jede Zeit, jeden Ort, alles! Diese spontan geschaffene „Realität“ müssen die Mitspieler annehmen, ihrem eigenen Spiel zugrunde legen. Tun sie das nicht, kommt die Szene nicht voran, es gibt kein Zusammenspiel. Wenn ich beispielsweise zu Beginn einer Szene zu einem Mitspieler sage (also ein „Spielangebot“ mache): „Bitte einen trockenen Rotwein“ dann ist es nahe liegend, dass ich mich als Gast in einem Restaurant oder in einer Gaststätte befinde. Der erfahrene Spieler wird das zugrunde legen und mir daraufhin z.B. (pantomimisch) einen Rotwein bringen. Denkbar wäre z.B. auch noch, dass die Szene in dem Kasino eines großen Raumschiffs spielt oder in einem mittelalterlichen Wirtshaus. Der unerfahrene Spieler würde alle nahe liegenden Möglichkeiten ignorieren und vielleicht sagen: „Wer sind sie denn, was machen sie in meinem Büro?!“
Die „Annehmen“-Regel und viele andere Regeln, die ich als routinierter Spieler irgendwann so verinnerlicht habe, dass sie mich in meinem spontanen Spiel nicht behindern, sorgen dafür, dass eine Szene „gelingt“. Dass sich eines aus dem anderen ergibt, Aktion und Reaktion, dass ein organisches und stimmiges Zusammenspiel entsteht.

Vorgaben
Das spontane und freie Spiel folgt jedoch nicht nur bestimmten dramaturgischen Regeln, sondern es kommen meist noch zwei weitere Punkte dazu, die der Spontanität der Spieler eine bestimmte Richtung und einen bestimmten Rahmen geben:
Zum einen ist es bei öffentlichen Auftritten üblich, sich von den Zuschauern Vorgaben zu holen. Mit Hilfe dieser Vorgaben können sie die folgende Szene auf der Bühne beeinflussen. Das ist für die Zuschauer ein besonderes Gefühl, denn sie wissen, ohne ihre persönliche Vorgabe wäre die Szene so nicht abgelaufen. Abgefragt werden kann z.B. ein Ort, eine Epoche, eine Beziehung zwischen zwei Menschen, ein Gefühl. Übrigens Ort: Neben den vermeintlich originellen Vorschlägen wie „Toilette“, „Sauna“ oder „Swingerclub“ wäre so ein Vorschlag z.B. die Eingangshalle eines Hotels. In der Umsetzung des Vorschlags beginnen die Spieler den Raum durch Reden, Gestik und Handeln virtuell einzurichten: Einer steht vielleicht hinter dem (real nicht vorhandenen) Empfangstresen und gibt etwas in den Computer ein, ein Gast kommt dazu, stellt seinen fiktiven schweren Koffer ab, und fragt nach seinem Zimmer. Die Szene fängt meist banal und positiv an, mit sog. Routinen, man lernt die Leute und ihre Beziehung zueinander kennen. Irgendwann gibt es dann ein Problem, einen Konflikt, eine (ungeahnte) Wendung des Geschehens und den Schluss.

Strukturspiele
Zum zweiten werden beim Improvisationstheater meist sog. Strukturspiele aufgeführt. D.h. die Spieler haben neben den (sinnvollen, wenn auch nicht unbedingt zwingenden) dramaturgischen Regeln, die zum Gelingen der Szene beitragen, die Regeln zu beachten, die das betreffende Strukturspiel charakterisieren. Das lässt sich am besten mit zwei Beispielen veranschaulichen:
Beim sog. „ABC-Spiel“ ist es so, dass jeder der Spieler seinen spontanen, aber inhaltlich passenden Satz im Dialog mit dem nächsten Buchstaben des Alphabets beginnen muss:
Hier könnte z.B. die Publikumsvorgabe „Hochzeitstag“ sein.
Spieler A: „Anne, mein Liebling, ich möchte gleich mit Dir ins Kino gehen.“
Spielerin B: „Brauche aber noch ein paar Minuten!“
Spieler A: „‚Corona-Komplex‘ läuft! Ich lad‘ dich ein!“
Spielerin B: „Du weißt also, was heute für ein Tag ist?“
Spieler A: „Es ist unser 10. Hochzeitstag!“
Das geht so weit bis zum Buchstaben „Z“.
Bei der Emo-Achterbahn lässt man sich vor Szenenbeginn vom Publikum einige Emotionen geben. Diese werden während der laufenden Szene nacheinander mit zeitlichem Abstand vom Moderator angesagt und müssen unverzüglich in die Szene eingebaut, dh. gespielt werden. Wenn also die Emotion „traurig“ heißt, dann muss z.B. der gerade noch wolllüstige Spieler in Trauer verfallen.
Die Vorgaben und die Strukturspiele machen die Beliebtheit des Improtheaters aus: Die Zuschauer haben das Gefühl, sie können unmittelbar Einfluss nehmen und, noch wich- tiger: Die Strukturspiele sind meist so angelegt, dass sie witzig sind. Denn die meisten Zuschauer kommen zum Improvisationstheater, um unbeschwert lachen zu können. Hinzu kommt, dass die Zuschauer gerne für sich überlegen, was sie gemacht hätten, wenn sie an der Stelle des Spielers auf den Bühne gewesen wären und mit Spannung erleben, wie die Spieler ihre Aufgabe gelöst haben. Schließlich freut es die Zuschauer, wenn den Spielern ein Fehler passiert, z.B. beim ABC-Spiel ein Buchstabe vergessen wird.

Langformen
Neben den Strukturspielen, die meist nur wenige Minuten dauern, gibt es noch sog. Langformen. Sie zeichnen sich durch lange, zusammenhängende Szenenfolgen aus. Eine Langform kann abendfüllend bis zu 1 ½ Stunden dauern. Hier geht es, wie bei einem Theaterstück oder einem Kinofilm, um eine Geschichte.
Langformen sind die „hohe Schule“ des Improvisationstheaters. Umfassendes dramaturgisches Wissen ist erforderlich, jeder Spieler auf der Bühne muss die Personen, Informationen, Handlungsstränge und Zusammenhänge des bisher Gespielten präsent haben und versuchen, die Geschichte spontan, aber eben dramaturgisch sinnvoll voranzutreiben und zu einem passenden Ende zu führen. Langformen bieten den Spielern die Chance, Figuren bzw. Charaktere zu entwickeln. Während bei den Kurzformen (Strukturspielen) die Personen meist nur oberflächlich und karikaturhaft dargestellt werden können, bieten Langformen die Chance und die Möglichkeit, Charaktere mit Tiefgang, Persönlichkeit und mit ihren „Abgründen“ zu zeigen, aber eben auch mit Emotionalität, Authentizität und der Möglichkeit der Veränderung, der Läuterung.

Fazit
Improtheater ist das neue Volkstheater. Denn die Zuschauer kommen gern zum Abschalten, zum Entspannen, zum Lachen. Es bietet aber – insbesondere bei seinen langen Formen – auch die Chance zu unterhaltsam-berührendem Spiel mit Tiefgang und stellt insoweit auch eine künstlerisch herausfordernde Schauspielform dar.